Das Steuerrecht unterliegt einem permanenten Wandel, der in den letzten Jahren besonders gravierend war. Als bekanntes Beispiel sei die Besteuerung von Kapitalgesellschaften und deren Anteilseigner angeführt. Hier wurde das körperschaftsteuerliche Anrechnungsverfahren durch eine klassische Körperschaftsteuer, verbunden mit dem so genannten Halbeinkünfteverfahren, ersetzt. Darüber hinaus erfolgen alljährlich weitere, mehr oder minder umfangreiche, Rechtsänderungen innerhalb des bestehenden Steuersystems. Die ständigen Steuerrechtsänderungen machen das Leben derjenigen, die sich mit der Besteuerung auseinandersetzen, besonders schwer. Zudem erfordert die ständige Steuerreformdiskussion die Aufmerksamkeit der Beteiligten. So vergeht kaum ein Monat in dem nicht ein neues Steuerreformkonzept vorgestellt wird, welches das angeblich unreformierbare deutsche Ertragsteuerrecht ablösen soll. Als Beispiele seien die vom Sachverständigenrat ins Spiel gebrachte Duale Einkommensteuer oder das Kirchhofsche Einkommensteuergesetzbuch genannt.
Bei sämtlichen erfolgten oder beabsichtigten Änderungen im Bereich der Besteuerung sind die Wirkungen auf das Verhalten der Wirtschaftssubjekte, die Konsequenzen für das Steueraufkommen und Verteilungseffekte von herausragendem Interesse. Während Verhaltensreaktionen im Rahmen theoretischer Modelle analysiert werden können, lassen sich reale Aufkommens- und Verteilungswirkungen nur empirisch untersuchen. Die Bedeutung der Aufkommens- und Verteilungswirkungen für die politische Umsetzbarkeit von Steuerreformvorhaben hat die Diskussion über das Kirchhofsche Reformvorhaben gezeigt. Aber auch für die Quantifizierung von Verhaltensreaktionen bedarf es empirischer Arbeiten. Als Beispiel sei die von der damaligen Bundesregierung im Frühjahr 2005 ins Spiel gebrachte Absenkung des Körperschaftsteuertarifs auf 19 % genannt. Hierbei waren die Selbstfinanzierungseffekte, die durch positive Anreize auf internationale Direktinvestitionen ausgehen, umstritten. Mangels verlässlicher, empirisch fundierter Zahlen können derartige Selbstfinanzierungseffekte nicht seriös abgeschätzt werden. Welche fatalen Konsequenzen sich aus einer Fehleinschätzung der Wirkungen von Rechtsänderungen ergeben können, haben die – von Seiten der handelnden politischen Akteure – nicht antizipierten Steuerausfälle im Zuge der Einführung der klassischen Körperschaftsteuer zu Beginn des 21. Jahrhunderts in Deutschland gezeigt. Die temporär dramatisch zurückgegangenen Einnahmen aus der Körperschaftsteuer – das Körperschaftsteueraufkommen war sogar zeitweise negativ – haben die ohnehin schwierige Lage der öffentlichen Haushalte weiter verschärft. (...)